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Mein letzter Versuch die Welt zu retten

eBook - Roman

DVA
Erschienen am 20.11.2009, Auflage: 1/2009
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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783641037048
Sprache: Deutsch
Umfang: 256 S., 0.27 MB
E-Book
Format: EPUB
DRM: Digitales Wasserzeichen

Beschreibung

Im Dreiviertelanzug durch den Gorlebener Forst

1984 reist die halbe Republik ins Wendland, um gegen die Castortransporte zu protestieren. Auch Florian, siebzehn Jahre alt, will die Welt verbessern und macht sich zusammen mit Freunden auf den Weg. Es ist der Tag, bevor er stirbt. Ein Roman voll untergründiger Spannung über eine politisch bewegte Zeit, in der man ohne Atomkraft Nein danke-Anstecker schon verloren hatte. Eine Zeit, als es auf jede Frage eine Antwort gab.

Stell dir vor, es ist Demo und keiner geht hin kaum denkbar in den achtziger Jahren, als alle dafür waren, dagegen zu sein. Auch Florian ist dagegen: Er macht sich auf den Weg ins Wendland, um mit Freunden gegen die Atommülltransporte zu protestieren. Zum ersten Mal trägt er den Familienanzug, der einmal seinem kleinwüchsigen Onkel gehörte und der ihm viel zu kurz ist; es ist ein wichtiger Tag für ihn, dieser 28. April, der Tag, bevor er stirbt. Bis zum Abend fühlt sich alles wie ein Ferienausflug an, doch dann brechen im Zeltlager erhitzte Diskussionen aus, zwischen Gewaltfreien und Anarchos, Frauengruppen und einheimischen Bauern. Als ein Polizeiauto überfallen wird, beginnt eine wilde Jagd durch den Landkreis. Bald weiß niemand mehr, wer hier wen blockiert.

In einer spannungsreichen Geschichte voll subtiler Ironie erzählt Jo Lendle von einer Gruppe junger Menschen, die ein klares Ziel vor Augen haben und doch nicht wissen, was sie tun.

Ein treffsicheres Generationenporträt der heute um die 40-Jährigen, mit großem identifikatorischem Moment.

Autorenportrait

Jo Lendle wurde 1968 geboren und studierte Kulturwissenschaften und Literatur in Hildesheim, Montréal und Leipzig. Bisher sind bei DVA erschienen: "Was wir Liebe nennen" (2013), "Alles Land" (2011), "Mein letzter Versuch, die Welt zu retten" (2009) und "Die Kosmonautin" (2008).

Leseprobe

Dies ist meine Geschichte, die Geschichte von mir selbst, Florian Beutler, und meinem dunkelbraunen Anzug, einem Dreiviertelanzug, um genau zu sein, ein kleinwüchsiger Onkel hat ihn getragen, als er heiratete, dann trug ihn mein Vater, der kaum größer war, und später ein Cousin beim Abschlussball, nachdem wir die Ärmel hatten kürzen lassen. Am Ende sollte ich ihn tragen, zur Konfirmation, gegen meinen Willen, aber ich weigerte mich, was meiner Mutter das Fest verdarb, dabei war es doch meine eigene Konfirmation, und so trug ich ihn zum ersten Mal am Morgen dieses 28. April, es war ein Dreiviertelanzug aus dunkelbrauner Schurwolle, und die Geschichte, die ich erzähle, ist die Geschichte der letzten Tage dieses Anzugs und zugleich meine eigene Geschichte, die Geschichte von Florian Beutler, den sie Flo nannten, und wie wir beide am Ende doch noch zusammenkamen, der Anzug und ich, an diesem Morgen des 28. April, einem Sonnabend, am Tag, bevor ich starb.
Wir waren zu siebt. Vorne links saß Wolf, über das riesige Lenkrad gebeugt, der Einzige von uns, der damals einen Führerschein besaß. Eben mit der Schule fertig, schmal und hochgewachsen, eigentlich hatte er Locken, aber er bekam schon eine Glatze und hatte sich die Haare abrasiert. Ich habe ihn nie gefragt, ob ihm das etwas ausmachte. Er wollte nach Holland auf die Glasbläserschule,
aber irgendetwas stimmte mit den Formularen noch nicht. Ich bin nie richtig warm geworden mit ihm, vielleicht war es auch meine eigene Schuld. Neben ihm Bernd, ein kühler, strähniger Typ, keiner riss sich darum, näher mit ihm zu tun zu haben, Lehrerliebling, groß in alten Sprachen, überhaupt Geschichte und Vergangenes, fast konservativ, was damals aus irgendeinem Missverständnis heraus nicht weiter auffiel. Bernd konnte stundenlang Vorträge halten, im Nachhinein betrachtet, haben wir ziemlich viel von ihm gelernt, auch politisch, aber währenddessen war es kaum zu ertragen. Einmal, als wir abends zusammensaßen, fragte ich nach, was denn das Wort rational eigentlich bedeute, und er sah mich mit diesen kleinen, leeren Augen an und sagte dann, wobei er auf den Plattenspieler neben sich zeigte, auf dem eine seiner amerikanischen Jazzplatten lief, wenn er da mit der Faust draufschlagen würde, das wäre nicht rational. Ich weiß nicht mehr, ob er jemals eine Freundin hatte, geschweige denn, ob er traurig darüber war.
Neben Bernd, ganz am Rand der Beifahrerbank, saß Birte, die an diesem Morgen den Kassettenrekorder kontrollierte, schon weil die beiden Jungs ihr die Hoheit darüber nicht streitig machten, also gab es Ina Deter ohne Ende, das Album war gerade neu herausgekommen. Birte war ein bisschen fülliger, die Augen standen dicht beieinander, ihr großes, rundes Gesicht wurde durchzogen von einem langen Mund, der ganz gerade war und sehr schmal, sie hatte tatsächlich die Haut eines Pfirsichs, mit diesen Blutäderchen auf den Wangen und dem Rosa, aber auch mit den kleinen Härchen überall, was immer niedlich aussah, aber richtig hinfassen wollte man auch nicht.
Sie war die Erste, die einen Busen bekommen hatte, doch weil ihr Oberkörper ohnehin in alle Richtungen wuchs, fiel es nicht so auf, selbst wenn ihre Brüste inzwischen wirklich groß geworden waren. Später ist sie auch gestorben, aber vorher hat sie immerhin noch eine ganze Weile Landschaftsarchitektur studiert.
Hinter ihr kam Kordel, die bei jedem neuen Lied aufstöhnte und wieder von ihrer Crosby, Stills & Nash-Aufnahme anfing, die aber überhaupt niemand hören wollte. Kordel war anfangs nur eine Klassenkameradin meines Bruders gewesen, bis wir im Schulorchester nebeneinander zu sitzen kamen, in der letzten Reihe. Sie schlug die Becken gegeneinander, ich saß an der Pauke, wir verbrachten die meiste Zeit damit, Pausen zu zählen und die Augen zu verdrehen, wenn kurz vor unserem Einsatz wieder einmal die Posaunen unsauber intonierten oder eine Oboe keine Luft mehr kriegte und die ganze Runde von vorne begann, was bei uns natürlich richtig Freude aufkommen ließ. Kordel war ein leicht miteinander. Sein Anzug war aus dunkelgrauem Samt und noch fast neu, von der Preisverleihung im Jahr zuvor, als sie ihn bei »Jugend forscht« für seinen Nachbau eines Zaunkönigflügels ausgezeichnet hatten. Holger war jedenfalls ein gutes Jahr älter als ich, vielleicht reicht das für den Beginn.
Direkt vor mir saß Anton, die eigentlich Antonia hieß, ich hatte sie irgendwann mal im Spaß so genannt, und alle waren darauf eingestiegen. Weil sie vor mir saß, waren von ihr nur die Haare zu sehen, die dunkelblond und wellig zu beiden Seiten der kleinen Kopfstütze hervorquollen. Anton hatte richtig schönes, dickes Haar, das musste mir keiner erklären. Eines Tages war sie mit einem Seitenscheitel in die Schule gekommen, und ich hatte sie ausgelacht, für wen sie sich denn so schön mache, aber sie hatte ganz ernst entgegnet, es habe sich über Nacht so gelegt, woraufhin ich mich gar nicht mehr hatte einkriegen wollen. Wir sind über die Sache nie richtig hinweggekommen. Jetzt jedenfalls saß sie vor mir, zugleich unerträglich nah und doch völlig unerreichbar, und schon das war mir zu viel.

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