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Weitere Buchempfehlungen statt der Matinée

Liebe Kundinnen und Kunden,

wie bereits im letzten Newsletter angekündigt, haben wir noch ein paar weitere Empfehlungen für Sie, die wir Ihnen gern im Rahmen unserer Matinée vorgestellt hätten. Die acht Bücher von letzter Woche können Sie unter diesem Link weiterhin einsehen.

Ihr Team vom Vaihinger Buchladen

"Offene See"
Benjamin Myers

besprochen von Birgit Närger

Das Lieblingsbuch der unabhängigen Buchhandlungen 2020. Und mein Lieblingsbuch in 2020. Wunderschöne und besondere Literatur. Poetisch – tief empfunden und aufmerksam beobachtet!

England 1946. Der 16 jährige Robert hat seinen Schulabschluss absolviert und soll wie sein Vater unter Tage arbeiten. Bevor er sich in diese ungewollt quälende Enge im Kohlebergwerk begibt, will er einmal das Meer sehen. Er beschließt, an die Küste zu wandern. Dort trifft er auf Dulcie, eine unkonventionelle ältere Dame. Dulcie lebt ein Leben, das sich Robert nie erträumt hätte, er darf bei ihr wohnen. Für Robert erschließt sich durch sie eine ganz neue Welt. Er zeigt sich erkenntlich, indem er den heruntergekommen Garten bearbeitet und eine Hütte, die vor längerer Zeit als Atelier gedient hat, wieder instand setzt. Als er die Hecke zum Meer stutzen will und ein lyrisches Manuskript findet, das ihr gewidmet wurde, verschließt sich Dulcie zunächst völlig. Aber nach und nach lüften sich alle Geheimnisse über die "Offene See"...

Ein Roman voller Naturbeschreibungen, tiefgründigen Charakterisierungen und einer Geschichte, die sehr berührt.

"Zugvögel"
Charlotte Mcconaghy

besprochen von Helke Stadelmeier

Mcconaghy erzählt die Geschichte von Franny. Wir befinden uns in einer Zeit, wo die meisten freilebenden Tiere ausgestorben sind. Es gibt kaum noch Fische und auch Vögel sind kurz vor dem Aussterben. Franny, eine junge Frau, möchte den Flug der letzten Küstenseeschwalben folgen und ihnen über das Meer folgen. Sie heuert auf einem Fischkutter an, mit dem Versprechen, ihnen einen großen Fang zu bescheren, denn da, wo die Seeschwalben hinfliegen, sind auch noch Fische. Sie muss sich mit dem harten und unbarmherzigen Leben auf dem Boot anfreunden, ist den Naturgewalten schutzlos ausgeliefert und muss erkennen, dass sie ihrer Vergangenheit nicht entfliehen kann. Man erfährt immer mehr über Frannys Kindheit in Irland, in Australien und wieder in Irland, wo sie ihren Mann kennenlernt und über ihren Gefängnisaufenthalt. Die Geschichte wird in einzelnen Puzzlestücken erzählt, die sich langsam zu einem großen Ganzen zusammensetzen.

Ein intensive und berührende Geschichte, die eingebettet in der rauen Natur noch viel stärker wirkt und die Zerbrechlichkeit eines Menschen aufzeigt!

"60 Kilo Sonnenschein"
Hallgrímur Helgason

besprochen von Sonja Körner

Wahrscheinlich kann nur ein isländischer Autor die Dunkelheit und Kälte dieser Jahreszeit so prächtig in beglückende Momente voll innerem Sonnenschein verwandeln. Die Mutter und Schwester des kleinen Gestur kommen ums Leben, als ihre kleine Hütte unter Schneemassen zusammenfällt. In den nächsten Jahren wird er von Pflegevater zu Pflegevater gereicht und mit zwölf Jahren hat er schon weit mehr erlebt, als er sollte. Aber sein Leben ändert sich immer aufs Neue, während sich Anfang des 20. Jahrhunderts auch Island durch den enormen Fischhandel auf den Weg in die Moderne macht. Ein Buch vollgepackt mit bärtigen Männern, betrunkenen Priestern und zerschellenden Haifangschiffen. Sprachgewaltig, humorvoll und wunderbar schräg beschert uns Hallgrímur Helgason die perfekte Unterhaltung für lange Winterleseabende.

"Das weite Herz des Landes"
Richard Wagamese

besprochen von Theodor Lindner

Der sechzehnjährige Franklin, ein indigener Jugendlicher aus Kanada, kennt seinen Vater Eldon eigentlich kaum. Aufgezogen von einem älteren Herren, zu dem kein Verwandtschaftsverhältnis besteht, hat er seinen leiblichen Vater stets nur unzuverlässig und dem Alkohol verfallen erlebt. Doch Eldon weiß, dass er bald sterben wird, und bittet seinen Sohn um einen letzten Gefallen: Gemeinsam werden die beiden in die raue Natur British Columbias reisen, nur mit einigen Vorräten und Franklins treuem Pferd, um Eldons letzte Ruhestätte zu finden, wo er auf die Art der indianischen Krieger beerdigt werden will. Obwohl Franklin erst wenig begeistert ist, wird ihm diese Reise schließlich doch wichtig und vielleicht, nur vielleicht, lernt er endlich seinen Vater und durch ihn auch seine verstorbene Mutter kennen.

In wunderschöner Sprache schildert Richard Wagamese, einer der erfolgreichsten indigenen Schriftsteller Kanadas, die Schönheit der Natur, die komplizierte Beziehung zwischen einem Vater und seinem Sohn und stellt dabei die ganz große Frage, inwieweit man sich selbst eigentlich kennen kann, wenn man die Geschichte seiner Eltern nicht kennt.

"Die Frau am Dienstag"
Massimo Carlotto

besprochen von Birgit Närger

Jeden Dienstag zwischen 15 und 16 Uhr besucht die unbekannte Schöne den mit 40 Jahren bereits alternden Pornostar und Gigolo Bonamente Fanzago. Sie lässt sich von ihm verwöhnen und verschwindet, bis zum nächsten Dienstag, seit 9 Jahren. Sie ist ihm nicht gleichgültig, auch wenn sie ihn bezahlt. Er lebt in einer Pension, die der sanftmütige Transvestit Signor Alfredo führt. Eine Oase des Friedens und des Rückzugs. Bis ein Verbrechen geschieht und alte Geheimnisse wieder ans Licht kommen, dunkle Gestalten aus der Vergangenheit wieder auftauchen.

Ein groteskes, spannendes und außergewöhnliches Lesevergnügen. Ich habe dieses Buch verschlungen, es geht immer wieder neue Wege, überrascht und fesselt.

"Die Unschärfe der Welt"
Iris Wolff

besprochen von Helke Stadelmeier

Iris Wolff erzählt die Geschichte von vier Generationen, sieben Personen, im Banat ab der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Gekonnt verwebt sie politische Ereignisse, wie die Herrschaft Ceausescus, mit ganz persönlichen Ereignissen dieser Figuren. Menschen, die im ärmlichen Banat aufwachsen, die flüchtend das Land verlassen, wiederkehren und bleiben. In unglaublich berührender und sinnlicher Sprache erzählt Iris Wolff auf knappen 200 Seiten das Leben dieser sieben ganz unterschiedlichen Menschen, wie die Pfarrersfamilie im Banat, die zwei Männer aus der DDR ihre Gastfreundschaft anbietet, oder Samuel, dessen bedingungslose Freundschaft bis hin zur Flucht geht.

Es sind sieben ganz unterschiedliche Geschichten, die alle miteinander auf das Feinste in einer faszinierenden, poetischen Sprache verwoben werden.

Diese Buch muss man aufgrund der sprachlichen Schönheit unbedingt zweimal lesen!

"Große Erwartungen - Auf den Spuren des europäischen Traums"
Geert Mak

besprochen von Sonja Körner

Der niederländische Publizist Geert Mak reiste 1999 mit dem Zug quer durch Europa und blickte zurück auf das 20. Jahrhundert. Entstanden ist dabei sein Buch “In Europa“, in dem er hoffnungsvoll in die Zukunft der EU schaute. Doch was ist seitdem aus dem Traum von Frieden, Freiheit und Wohlstand geworden? Wohin steuert Europa? Mitreißend und spannend betrachtet er die Jahre 2000 bis 2020, unterhält sich mit Abgeordneten in Brüssel und mit einem Arzt der Küstenwache auf Samos, lässt als Zeitzeugen einen Investmentbanker und eine palästinensische Immigrantin zu Wort kommen und beleuchtet die Schwachstellen, das Verhältnis zu Putins Russland und auch die aktuellen Herausforderungen durch Corona. Maks Sachbücher lesen sich flüssig wie Romane und dieses hier macht deutlich, wie wichtig es ist, an diesem großen europäischen Traum festzuhalten.

"Die einzige Geschichte"
Julian Barnes

besprochen von Theodor Lindner

Bitte vergessen Sie sofort jedes Klischee, das Sie mit "junger Mann verliebt sich in ältere Frau"-Geschichten assoziieren, denn Julian Barnes verwendet keines davon. Paul hat mit neunzehn Jahren noch keine Ahnung, wie sehr ihn seine erste Liebe später prägen wird. Stattdessen erfreut er sich daran, dass er mit sämtlichen gesellschaftlichen Konventionen bricht, als er eine Beziehung mit der fast 30 Jahre älteren und verheirateten Susan eingeht. Und obwohl diese Beziehung über Jahre hinweg halten wird, so wird sie nicht dauerhaft glücklich sein, was Paul mit zunehmendem Alter mehr und mehr bewusst wird. Ein bewegender Roman, der so clever konstruiert ist, dass er förmlich darum bittet, mehrmals gelesen zu werden.

"Kat Menschiks & des Diplombiologen Doctor Rerum Medicinalium Mark Beneckes illustriertes Thierleben"
Dr. Mark Benecke, Kat Menschik

besprochen von Sonja Körner

Es lohnt sich ja schon, sich dieses Buch nur wegen seines Titels und der farbenfrohen Illustrationen von Kat Menschik zu kaufen, aber man kann es auch durchaus gewinnbringend lesen und erfährt viel über „Silberfischchen im Badezimmer, feenhafte Glühwürmer, geschmähte Möpse, solidarische Stare oder morbide Enten“. Mark Bennecke ist nicht nur Kriminalbiologe sondern auch Vorsitzender der Deutschen Dracula-Gesellschaft und Kat Menschik lauscht gerne seinen Tierbetrachtungen im Radio und hat auch schon Romeo und Julia und Moabit von Volker Kutscher wundervoll illustriert. Eignet sich auch hervorragend als Geschenk für Wesen, die eigentlich nicht lesen.